Nasca-Linien und Problemfahrt bis Abancay

15.04.

 

Am Sonntag morgen sind die Straßen von Lima fast leer. Das kommt mir sehr zu gute, da mein Navi den Weg aus der Stadt heraus nicht gut finden will. Nach einer Weile klappt es dann doch und ich fahre durch die Wüste am Pazifik entlang. Ab und zu gibt es sogar bewässerte Felder auf denen auch Baumwolle angebaut wird. Es ist heiß und nach ein paar Stunden mache ich Pause an einer Tankstelle bei 31 Grad im Schatten.

 

Es geht weiter durch die Wüste und Richtung Palpa.

In Palpa arbeitet Heike als Archeologin an den Nasca Linien und ich will sie dort besuchen. Nur leider habe ich außer ihrem Namen und der Telefonnummer keine weiteren Informationen. In Palpa angekommen ist der Ort doch größer als ich gedacht habe und Heike kennt man dort nicht sofort. Aber eine blonde Frau, die im Dorf wohnt und so werde ich dorthin geführt. Es handelt sich zwar nicht um Heike, aber die junge Frau weiß, wo die Archeologen wohnen und so fahre ich hinter einem dreirädigen Taxi zum Casa Blanca, dessen Tore verschlossen sind. Also zurück in die Stadt ins nächstgelegene möglicherweise einzige Hotel. Vor dem Hotel sitzen zwei Herren im Tiefschlaf versunken. Selbst mein Motorradlärm kann sie nicht wecken. Die drei jungen Leute vom Hotel zeigen mir erst ein Zimmer und rufen nochmal mit ihrem Handy bei Heike an. Und sie ist erreichbar und auf dem Weg zum Casa Blanca, in dem ich auch übernachten kann. Ich freue mich und starte die Maschine vor dem Hotel, ohne dass die beiden schlafenden Herren auch nur mit der Wimper zucken. Die müssen echt todmüde sein.

Nachdem Heike mich in ihrem Zimmer einquattiert hat, fahren wir beiden zu den nahe liegenden Nasca-Linien in Palpa. Sie erklärt mir viele Dinge über ihre Arbeit und wir finden auf der Hochebene, von der man die Linien besonders gut sehen kann, sogar bemalte Keramikscherben aus der späten Zwischenzeit, ein ausgeräubertes Grab, das an dem dort liegenden Gebiss und der Baumwolle zu erkennen ist und zwei tausende Jahre alte Schleifsteine. Ich bin beeindruckt, so nahe an der Geschichte dran zu sein.

Der Abend ist lau und der Sonnenuntergang ist besonders schön. Ein unvergessliches Erlebnis für mich und zudem mit einer Archeologin, die so vieles zu erzählen weis. Wir bringen das Motorrad zum Haus und fahren mit einem kleinen Taxi zurück nach Palpa zum Abendessen. Im Gespräch erfahre ich noch dies und das über die Menschen in Peru und falle am Abend sofort in den Tiefschlaf, den auch die Moskitos nur kurz unterbrechen können.

 

16.04.

 

Nach dem Frühstück mit Heike mache ich mich schweren Herzens weiter auf den Weg und komme am Aussichtsturm weiterer Nasca-Linien vorbei. Tausende von Jahren sind diese alt und es gibt nur Vermutungen zu ihrer Entstehungsgeschichte.

 

Auf einem Straßenschild ist Cusco mit 660 Kilometer ausgeschildert. Interessant ist, dass der von rechts kommende Verkehr es auf dem zweiten Straßenschild gleich 21 Kilometer näher hat. Schön, dass es Straßenschilder gibt!

 

Eine traumhafte Fahrt durch die einsamen Berge beginnt. Zuerst ist die Landschaft noch karg, unbewachsen und felsig, später wird sie immer grüner durchzogen mit vielen kleinen und großen Flüssen. Peru ist wunderschön! 

Zwischendurch fahre ich nochmal tanken und finde nur 90iger Benzin. Macht nichts denke ich, schließlich fahre ich immer höher hinauf, das wird schon passen. Aber es passt nicht ganz. Mein Motorrad hat in der Höhe von über 4.555 Metern arge Probleme. Es kriegt nicht genügend Luft und der Drehzahlmesser spielt verrückt. Ich komme nur langsam voran und bin froh als ich im Hotel Tampumaya 15 Minuten hinter Chalhuanca ankomme. Schaue noch mal nach den Sicherungen und dem Öl, kann aber nichts auffälliges finden. Gehe essen und schlafe in dieser ruhigen Umgebung zwischen Bergen schnell ein.

17.04.

 

Als ich wieder aufwache regnet es. Die wolkenverhangenen Berge sind trotzdem schön anzusehen und ich gehe gegen 7 Uhr frühstücken. Als ich um kurz nach acht Uhr losfahre, hat es sich aufgeklart und meine Maschine schnurrt wieder normal. Leider nicht lange. Schon nach wenigen Kilometern spinnt der Drehzahlmesser erneut. Bei 80 km/h dreht er bei 7000 Umdrehungen. Da hilft nur, die Maschine aus zu machen und neu zu starten. Hilft leider nicht lange. Nachdem ich durch einige zum Teil stark strömende Straßenflüsse durchfahre und mich ein entgegen kommendes Auto von oben bis unten nass spritzt, fällt auch noch mein Tacho mit der Kilometeranzeige aus. Aber das Motorrad läuft. Zwar verschluckt es sich immer wieder, aber es läuft. Auch der Drehzahlmesser fällt aus und die ganze Elektronik spielt verrückt. ABS blinkt auf, die Temparaturanzeige ist an und alles fällt aus. Kurz hinter Abancay geht gar nichts mehr. Die Maschine lässt sich nicht mehr starten und fängt auch noch an zu qualmen. Ein Straßenbauarbeiter hilft mir sie zu drehen und ein entgegen kommender Motorradfahrer kennt einen Mechaniker in Abancay. Als ich ihn mehrfach bitte mich doch dort hinzubringen, fährt er vor und ich lasse die Maschine nur noch bergab rollen. Bergauf wäre hier nichts mehr möglich gewesen.

Beim Mechaniker angekommen, schrauben wir alles auseinander und können zunächst nichts finden. Wahrscheinlich macht mir das Benzinwassergemisch Probleme. Vielleicht aber auch nicht. Wir finden einen zerschmolzen Zündkerzenstecker und da fällt mir sofort Dina ein, die noch nach unserem netten Abendessen sagte, „und ruf an, wenn Du Hilfe brauchst“ und ich antwortete „ich hoffe, dass alles gut geht und ich keine Hilfe brauche.“ Jetzt brauche ich Hilfe. Die netten Mechaniker rufen für mich auf ihrem Privattelefon an und Dina kümmert sich sofort. Hoffentlich findet BMW in Lima für mich einen neuen Zündkerzenstecker und kann ihn mir nach Abancay schicken, hoffentich löst das meine Probleme mit der Elektronik und ich komme wenigstens bis Cusco, um dort einen Motorradmechaniker zu finden. Ehrlich ich bin erstmal frustriert. Gott sei Dank bin ich in Abancay, wo es Hotels und Restaurants gibt. Die Mechaniker helfen mir das Motorrad ins nächstgelegene Hostal Omega mit Parkplatzmöglichkeit zu schieben (Jr. Cusco No. 503 Esquina con Jr. Apurímac, EZ 35 Soles, Wifi) und hier werde ich wohl bleiben müssen, bis Ersatzteile kommen oder über andere Lösungen nachdenken müssen. Pures Abenteuer.

 

Bitte liebe BMWler aus Lima helft mir weiter, sonst kann ich meine Reise hier beenden.

18.04.

 

Den ganzen Tag habe ich immer wieder mit Dina telefoniert, um einen neunen Zündkerzen-stecker zu bekommen. Und schließlich haben wir die BMW-Teilenummer gefunden und nun bestellt sie mir einen neuen. Das wird ca. sieben bis zehn Tage dauern, die ich in Abancay verbringen werde. Auch hier im Hostal hat man mir versucht zu helfen. Zwei junge Peruaner sind mit mir durch die Stadt gefahren, um jemanden zu finden, der meinen Stecker reparieren kann. Leider schüttelten aber alle nur mit dem Kopf. Nichts zu machen. Hoffe allerdings inständig, dass der neue Zündkerzenstecker aus Lima mich meine Reise fortsetzen lässt und nicht noch andere Probleme auftauchen. Das werde ich dann sehen.

Vorab versuche ich über mein Schwesterherz noch Informationen von meinem BMW Händler in Krefeld zu bekommen. Ferndiagnosen sind zwar schwierig, aber der Chefmechaniker Nils Wallrat hat Zeit und nimmt sich meiner Probleme an: Die beste Lösung wäre allerdings, ich finanzierte ihm den Flug und er kommt persönlich vorbei. Und nun zur Ferndiagnose:

 

1. Die Verkabelung am Seitenständer ist kein Problem, macht keine elektronischen Probleme, es sei denn ich vergesse ihn hochzuklappen. Also beim Anfahren immer erst nach unten sehen! Das mache ich schon. Allerdings habe ich auch schon mal vergessen, das Vorderradschloss abzunehmen. Damit kann man auch nicht abfahren. Also an zwei Dinge denken.

 

Zündkerzenstecker und defekte Elektronik (Tacho/Drehzahlmesser) sind vermutlich zwei Baustellen.

 

2. Zündkerzenstecker schmilzt durch zuviel Hitze, entweder durch Temperaturen durch das Wetter oder durch Fahrten im Stadtverkehr, häufiges anfahren und stoppen. Nils würde den erstmal austauschen und sehen, ob die Maschine wieder anspringt. Wenn das so ist und ich weiterfahren kann, kann dadurch nichts weiter kaputt gehen. Ich werde fest daran glauben.

 

3. Elektronik (Tacho/Drehzahlmesser): Es könnte sein, dass auch der Kabelbaum geschmolzen ist. Bitte nicht! Dann müsste der auch repariert werden. Das könnte natürlich bei der Weiterfahrt Probleme machen. Wahrscheinlicher sei aber, dass die Elektronik einfach nur zu nass geworden ist und ich meinen Fön wieder benutzen muss. Wäre nach einer Flussdurchquerung durchaus denkbar. Also waschen, trocken, fönen, legen. Scherz beiseite, ich hoffe, dass es das ist und der Kabelbaum heile geblieben. Tacho und Drehzahlmesser seien vermutlich nicht defekt.

 

4. Benzin und Qualm: Das Benzin (90) dürfte keine großen Probleme machen. Dadurch könnte es sein, dass die Maschine nicht 100 % rund läuft, mehr aber nicht. Der Qualm könnte durch den kaputten Zündkerzenstecker entstanden sein, weil eine Zündkerzen nicht richtig gefunkt hat. So war es! Von daher wäre es gut die Zündkerzen gleich mit zu erneuern. Habe noch zwei neue dabei und werde sie gleich wechseln.

 

5. Drehzahlmesser geht auf 7000 Umdrehungen: bei der Höhe von 4500 keine Besonderheit. Meine Maschine hat wie ich weniger Sauerstoff zum Atmen. Finde ich sehr sympathisch von meiner Maschine. Bei der Enfield, mit der meine Schwester durch Indien gefahren ist, kann man das Benzin-Sauerstoff-Gemisch verändern. Das geht bei meiner BMW nicht, die macht das automatisch oder eben auch nicht. Heißt für mich: gemütlich fahren, nicht zu schnell und eventuell eine kurze Pause einlegen. Das tut mir und der Maschine gut! Leider spinnt der Drehzahlmesser auch bei geringeren Höhen von knapp über 2.000 Metern. Ist das auch normal?

 

Danke an Nils in Krefeld!

19.04.

 

Welche ein Glück, dass Felizitas von der Rezeption mir heute morgen von einem Kinderheim erzählt hat, in dem Deutsche arbeiten. Nach dem Frühstück bringt sie mich hin und ich unterhaltet mich mit Sirena aus Lippstadt und Levke aus Friesland, die im Kinderheim seit einigen Monaten mithelfen. Erfahre viel über deren Arbeit und die Gewohnheiten der Peruaner. Und weil ich jetzt viel Zeit habe, biete ich ihnen an, im Kinderhein zu helfen. Sie sind sich sicher, dass das ein willkommenes Angebot ist und so gehe ich am späten Nachmittag zurück ins Kinderheim und helfe den sieben- bis 14jährigen bei ihren Hausaufgaben. Und ich darf morgen wieder kommen. Und so lerne ich von den Kindern das ein oder andere spanische Wort und ich kann sie bei den Mathematikhausaufgaben unterstützen. Das ist das beste was mir auf dieser Reise noch passieren konnte.

Am Vormittag habe ich meine Wäsche in die Reinigung gebracht, einen kleinen Stadtbummel gemacht und eine neue Jeanshose gefunden. Nachdem mittlerweile alle meine Hosen viel zu weit geworden sind, war das dringend nötig. Und was soll ich sagen, Frau fühlt sich wie neu geboren, endlich eine Hose, die nicht durch den Gürtel festgehalten werden muss und ein passendes Oberteil für zusammen 28 € dazu. Überlege, ob ich mir nicht auch noch ein paar Schuhe kaufen soll. Typisch Frau eben. Überglücklich geht für mich dieser Tag zu ende.

20.04.

 

Die nächste Woche werde ich in Abancay verbringen und auf meine Ersatzteile für das Motorrad warten. Zum Frühstück für 1,50 € und Mittagessen für 2,80 € gehe ich ins Hotel Touristas und treffe mich dort mit Melanie zum Spanisch Unterricht. Sie ist in Abancay geboren, adoptiert und aufgewachsen in Deutschland. Arbeitet als Gesundheitspflegerin für ein Jahr im Krankenhaus „Diospi Suyana“ in Curahuasi, das 1,5 Stunden von Abancay liegt und verbringt gerade ihre fünf freien Tage bei ihrer biologischen Familie in Abancay. So erfahre ich nebenbei auch etwas über die peruanische Kindererziehung und das Leben im allgemeinen in Peru.

Am Nachmittag haben mich Felizitas und David zu einer Wanderung auf die umliegenden Berge eingeladen. Wir wandern fast zwei Stunden steil bergauf auf einen der umliegenden Berge und sehen Abancay von oben. Kurz bevor die Sonne ganz untergeht machen wir uns auf den Weg zurück und begleiten eine Kuhherde hinab in die Stadt. Die nette Gesellschaft und die frische Luft hat so gut getan, dass ich müde ins Bett falle und erst am nächsten Morgen wieder aufwache.

21.04.

 

Heute ist Sonntag, die Straßen leer und die Geschäfte zu. Nach dem morgentlichen Spanisch Unterricht mit Melanie, nimmt sie mich mit zum Sonntagsmarkt. Sie kauft Obst und Gemüse ein, wir verweilen beim Hunde Verkäufer, treffen ihre Familie und verabschieden uns bis morgen, ihrem letzten Tag bevor sie wieder im Krankenhaus arbeiten geht. Eine Freundin fand es spannend, dass sie mir Spanisch Unterricht gibt und wird mich weiter unterrichten. Dann wird es ernst für mich, denn sie spricht weder deutsch noch englisch, nur spanisch.

23.04.

 

Diese Woche in Abancay verbringe ich zwar mit Warten auf meine Ersatzteile aus Deutschland, dennoch wird es nie langweilig. Nach dem Frühstück nehme ich Spanisch-Unterricht bei Juliet, die Wirtschaft an der Universidad Abancay studiert.

Gegen 13 Uhr gibt es Mittagessen und ab 14:30 Uhr helfe ich im Kinderheim bei der Hausaufgabenbetreuung. Um 18:30 Uhr geht es dann bereits im Dunkeln zurück zum Hostal.

Die Hausaufgabenbetreuung der sieben bis 11jährigen funktioniert erstaunlich gut. Die Kinder sind meist fleißig, helfen sich auch gegenseitig. Eine Ordensschwester kontrolliert vor dem Abendbrot die Hausaufgaben und die Kinder müssen nach dem Abendbrot um 19 Uhr nochmal ran, wenn nicht alles fertig geworden ist. Und natürlich haben die Kinder zwischen durch auch Spaß und machen Pausen, sind abgelenkt und kehren wieder zurück zu ihren Aufgaben. Die ganz Kleinen, die noch nicht zur Schule gehen oder aufgrund  ihrer Behinderung nicht gehen können, spielen im Haus und im Garten. Sie lernen beim Hüpfen zählen und Levke und Sirena stellen kleine Rechenaufgaben beim Schauckeln. Eine sehr gute Einrichtung, in der diese Kinder es bestimmt besser haben als das ein oder andere Kind hier, das nach der Schule nach Hause kommt und sich gleich vor den Fernseher setzt, was ich auch gesehen habe. Im Grunde nicht viel anders als in Deutschland.

Felizitas läd mich zu sich nach Hause ein und zeigt mir als erstes die Tiere, die der Familie gehören. Die Meerschweinchen haben keine Namen. Sie dienen als Nahrungsquelle. Ganz besonders stolz ist sie auf die Kuh und ihr Kleines. Ihre Mutter hat einen leckeren Mamorkuchen gebacken, den wir zusammen in der Küche essen. Sie spricht Quechua, eine alte Inka-Sprache, und so lerne ich etwas Quechua: „Nocca kani Doris“ heißt soviel wie „Yo soy Doris“ und „Allinmi cassani nocca“ bedeutet „Yo estoy bien = mir geht es gut“. Die sieben Geschwister sagen kurz Hallo und wir machen uns nach gut einer Stunde auf den Weg zurück in die Stadt mit dem öffentlichen Kleinbus. Der Eindruck vom Haus und den Verhältnissen ist prägend und am Abend sitze ich noch lange in Gedanken versunken über die Unterschiede zu unserem deutschen Lebensstandards.