Alaska / USA im August 2011

Heute überqueren wir die Grenze zu Alaska. Während wir das letzte Mal völlig problemlos über Land nach Amerika einreisen konnten und mir der Grenzer noch den Tipp gab, meine zwei Pässe lieber gleich zusammen vorzeigen, sollte es diesmal etwas anders kommen. Gut gelaunt fahre ich auf die Grenze zu. Charly übersieht das Stoppschild und stellt sich gleich hinter den PKW, der noch kontrolliert wird, mitten rein in rechts und links auf ihn gerichtete zehn Kameras. Das kann nicht gut gehen. Der Grenzer kommt und weist ihn erstmal zum Stoppschild zurück. Als der PKW wegfährt sind wir dran. Beide müssen wir rechts ran und erklären, warum und wie lange wir in Alaska zu bleiben gedenken. Charly sagt drei Monate. Der Grenzer schüttelt den Kopf und will nicht verstehen, dass wir ja bereits eine Einreiseerlaubnis in Seattle bis Januar 2012 erhalten haben. Und dann habe ich auch noch zwei Pässe. Einen mit dem Visum und den anderen mit dem neusten Foto, damit ja auch nichts schief geht. Das will er verstehen, spuckt noch mal auf den Boden zwischen die Motorräder und lässt uns durch. Es bleibt ein sehr unangenehmes Gefühl zurück.

Auf dem Weg nach Tok gibt es immer wieder Hinweisschilder mit einer Fotokamera darauf und der Aufschrift „Aussichtspunkt“. Aber die Landschaft wirkt uninteressant. Auch Städte in Alaska wie Tok könnte man besser rechts liegen lassen, es sei denn, man möchte etwas einkaufen oder braucht eine Motorradwerkstatt. Die findet man in Fairbanks nicht nur ausgestattet mit Motorrädern, sondern auch Kettensägen und Kettensägenöl für meinen Scottoiler, der meine Motorradkette schmiert. In den Geschäften gibt es vieles auf kleinem Raum und in großen Abpackungen. Bei den Entfernungen ja auch kein Wunder. Die Fahrt auf dem verlassenen Highway nach Fairbanks vorbei an den vielen Naturparks wäre landschaftlich sicher ganz schön gewesen, wenn es nicht die ganze Zeit geregnet hätte. Auf halbem Weg machen wir Pause in einem kleinen Restaurant. Der Inhaber erzählt mir, dass es hier immer wieder auch Fahrradfahrer gibt, die die Panamerikana fahren. Eine Fahrradfahrerin hielt beim ihm an und war sehr sehr müde und er organisierte noch einen Schlafplatz in dem 170 km entfernten Fairbanks.

Der Wind am Fuße des Denali (6194 m), dem höchsten Berg von Amerika, weht mich immer wieder fast an den Rand der Straße. Auf dem Weg nach Seward kommen wir vom Regen in den Schnee. Charly meint, gleich geht es bergab und wird besser. Aber warum fließt der Fluss neben mir, dann in die andere Richtung? Nach zehn Kilometern habe ich das Gefühl, meine Finger frieren ein, trotz Griffheizung und Wechsel die Handschuhe. Diese traumhafte Winterlandschaft Anfang August mit den verschneiten Tannen am Wegesrand und dem Neuschnee auf den Bergen kann ich erst genießen als der Schnee auf dem Visier aufhört mir die Sicht zu nehmen und klar wird, dass die Weihnachtslandschaft nach 100 Kilometern ein Ende nimmt. Langsam kommt auch wieder die Sonne heraus und wir machen Halt am Byers Creek, wo gerade ein kräftig kerniger Fischer seinen Alaskalachs räuchert. Essen eine selbstgemachte Suppe und ziehen unseres Weges in Richtung Seward.

In Willows, kurz vor Anchorage, kommen wir bei Kathy und Jim unter. Er schoss 1959 einen Elch an einem See. Befand nicht nur den Elch, sondern auch den See für gut. Machte aus dem anliegenden Wald in 18 Monate so viel bewirtetes Land wie möglich und durfte es damit als Eigentümer behalten. Heute steht hier sein Haus mit anliegendem kleinen Golfplatz. Der Winter ist sehr lang, erzählt Kathy. Von Oktober bis April liegt so viel Schnee, dass man sich oft länger selbst versorgen muss. Mitunter kann dies sehr eintönig und langweilig sein. Aber jetzt ist Sommer, die Abendsonne scheint auf den See und erzeugt einen hell leuchtenden Regenbogen dazu. Ich komme zur Ruhe beim Blick durch das Fernglas auf die am Horizont noch erkennbaren schneebedeckten Bergzüge, die davor liegenden grünen Wälder, die Wiese mit den zwei Gänsen vorm Haus und eben dem See und seine Rosen. Kathy erzählt mir beim Frühstück mit selbstgemachter Elchwurst, Bratkartoffeln und Rührei, dass ihr Lieblingsaustauschschüler aus Berlin kam. Jim legt wert auf sportliche Austauschschüler, die dann mit zum Basketball spielen gehen. Der Sohn hat die Miss Oregon geheiratet und ist Basketballtrainer und eigentlich sieht sich die Familie viel zu selten bei schönem Wetter wie gestern Abend als wir bei ihnen ankamen.

Und endlich. Auf dem Weg nach Seward sehe ich Elche. Am Straßenrand liegend. Völlig ungefährlich und entspannt sehen sie aus. Ich hatte da ganz anderes gehört. Bären, die im See baden und auf einem Baumstamm abhängen, ganze Herden von Büffeln. Ich habe mich herangeschlichen, mutig wie ich bin und viele Fotos durch den Zaun hindurch geschossen.

Seit heute weiß ich, dass ich mein Motorrad mit Diesel betanken kann. Den Tank anschließend nur wieder entleeren muss. In Alaska muss man nach einem anstrengend Motorradtag doch besser aufpassen auf welchen Knopf man beim Kraftstoff auswählen drückt und dann nur noch den richtigen Zapfhahn nehmen. Schön ist, wenn neben der Tankstelle, an der man Diesel tank, gleich ein Autozubehörladen ist, der große Kanister, eine Absaugpumpe verkauft und gleich noch die Kumpel aus Seward anruft, die mir beim Entleeren helfen. Das heißt, die beiden Jungs haben das für mich gemacht und wollten dafür keinen Cent haben. Das Motorrad wieder betankt mit Benzin und es läuft. Soll schon mehr Leuten passiert sein. Ich kenne jetzt mindestens zwei. Einer davon, auf Urlaubsreise aus Karlsruhe, sprach uns bei der Aktion an. Immer wieder begegne ich hier deutschen Urlaubern. Und da wir mit Helm auch schon mal lauter miteinander reden als normal, erkennen sie uns dann auch sofort und wünschen uns eine gute Reise.