Von Santa Marta an der Karibikküste bis San Gil

09.02.

 

Ich fahre weiter Richting Bogota. Die Straßen in Kolumbien sind bisher ausgezeichnet, dennoch bricht bei der einzigen richtig tiefen Bodenwelle wieder mal mein Kofferträger. Und wie bereits die vier Male zuvor finde ich am selben Tag in Aguachica eine Werkstatt. Die Männer schweißen mir ohne jegliche Wartezeit und für keines Geld (8,40 €) alles wieder zusammen. Alle sind natürlich sehr interessiert, woher ich komme und wohin ich fahre, wie schnell mein Motorrad ist, ob ich tatsächlich alleine unterwegs bin und den Rest verstehe ich leider (noch) nicht. Bekomme einen Lutscher spendiert, den hier alle beim Arbeiten im Mund haben und schwitze mich in meinen Motorradsachen fast tot. Also erstmal duschen und dann etwas essen bzw. viel trinken.

Eine Erfahrung wird mir dabei auch bewußt: Gibt man in Mittelamerika oder jetzt Südamerika zum Bezahlen einen „großen Schein“, z.B. 10.000 Pesos und mein gegenüber nimmt ihn und verlässt den Laden und geht weg, bedeutet das nur, dass er den Schein selbst nicht wechseln kann und irgendwo den Schein wechseln geht. Vor einigen Monaten war ich noch so erstaunt, weil ich nicht wußte was passiert und jetzt gehört das bereits zum Alltag.

10.02.

 

Als ich heute morgen an der Hotelrezeption vorbei komme, staune ich nicht schlecht. Der nette junge Mann dahinter hält meinen Motorradschlüssel in der Hand. Den habe ich doch tatsächlich gestern auf meinem Motorrad, das direkt vor dem Hotel an der Hauptstraße von Aguachica in Kolumbien steht, vergessen. Gut, dass ich das nicht bemerkt habe, ich hätte wohl die ganze Nacht nicht schlafen können. Jetzt ist mein Schlüssel, den ich noch garnicht vermisst habe, wieder da und viel besser, mein Motorrad steht auch immer noch da. Die Menschen hier sind sehr freundlich und ehrlich. Eine sehr schöne Erfahrung.

Nach dem Frühstück verabschiede ich mich von Irena und Petar. Sie wollten heute eigentlich nach Bogota, aber Irena hat sich verhoben und kann vor lauter Rückenschmerzen nur noch liegen. Petar kennt sich da gut aus, so dass ich die beiden guten Gewissens verlassen kann.

Auf der Fahrt nach San Gil komme ich endlich in die Berge mit vielen Kurven. Rechts und links der Straße sehe ich immer wieder die Reste alter Erdrutsche liegen oder die entsprechende Maschinerie, die sie gerade beseitigt. An einer Stelle steht ein Kreuz und dahinter sieht man noch das Haus unter der Erde begraben. Mir wird da ganz anders, wenn ich sehe, dass die Menschen hier in ständiger Gefahr leben, von Erde zugeschüttet zu werden.  

Und wie zuvor in Mittelamerika, sehe ich auch hier alte Menschen, die sich an zwei Baumstöcken als Gehhilfe festhalten. Für deutsche Verhältnisse unglaublich und in meinen Augen immer noch ungewohnt und traurig.

Die Fahrt führt mich durch den Canon del Chicamocha. Erst fahre ich zwischen riesigen Bergschluchten hindurch, kurve mich auf fast 2.000 Meter über dem Meeresspiegel hoch und erlebe einmalige Aussichten in den Canyon. Endlich wieder pure Natur wären da nicht ab und zu die LKW vor mir, die ich immer wieder überholen kann.

In einer der Kurven hat sich das Ende einer langen LKWschlange gebildet. Ein Unfall vielleicht. Getränkeverkäufer haben bereits das Ende erreicht und winken mich durch. Gut, dann fahre ich wenigsten bis an den Anfang der kilometerlange Schlange. Dort angekommen, winkt mich auch die nette junge Dame, die alle LKW aufhält durch. Motorräder dürfen hier weiterfahren. Hoffentlich steht hier auf dem Weg kein Erdrutsch bevor und die denken, dass Motorradfahrer schneller sind, denke ich noch, bleibe zwischen durch stehen und kann ungestört die ganze Strecke fahren.

In San Gil angekommen, sehe ich viele Hotelschilder, kann mich aber nicht so richtig entscheiden, welches ich nehme. Ich bin alleine unterwegs und muss keinerlei Kompromisse mehr eingehen. Die am Orteingang sehen ganz nett aus und haben einen Swimmingpool. Die in der Stadt sind eher runtergekommen und haben keine Parkmöglichkeit. Also fahre ich weiter Richtung Ortsausgang und halte an, um Getränke einzukaufen. Da bekomme ich dann auch den Tipp für ein gutes Hotel, das Guarigua Hotel. Checke ein und nehme das super Angebot einer Massage wahr: zuerst der Kopf, dann meine Hände und Arme, die wohl die meiste Arbeit beim Fahren haben, mein Bauch und meine Beine und Füße werden von beiden Seiten massiert. Gefühlte zwei Stunden. Anschließend ein Salzpeeling, Dampfsauna und zurück zum Eincremen lassen. Das tut gut, ich meine wirklich gut. Für sage und schreibe 50.000 Pesos, umgerechnet 22 € und morgen nochmal um die gleiche Zeit.

Auf meiner Motorradeise habe ich viele andere Reisende kennen gelernt: Einen Sateliten-Softwarespezialisten, 35, der fünf Jahre unterwegs sein will und zwischen durch in Europa Arbeit finden möchte. Einen Maschinebauingenieur, mit kanadischem und schweizer Pass, der drei Jahre zur Verfügung hat. Einen 50jährigen, der aussieht, als ob sie aus den USA gefohlen ist und dessen Helm ich reparierte. Einen jungen Mann, der an einem Tag gleich zwei schwere Motorradunfälle hatte, zum Glück nichts passiert ist und immer noch fährt. Ein junges kroatisches Paar auf zwei tiefergelegten Maschinen, er ist ca. zwei Meter groß. Ein älteres Paar auf Fahrrädern, die schon die ganze Welt gesehen haben. Einen vom ehemaligen Mitfahrer enttäuschten Briten und einen schnellen Dänen, der gut organisiert scheint. Ein 39jähriger amerikanischer Unternehmer, der sein Haus und Unternehmen verkauft hat und irgendwo in Mittelamerika Arbeit finden möchte. Fünf Motorcross fahrende Rentner und Jeff, der sich dabei sein Fußgelenk bricht. Die meisten reisen mit einem absolut schmalen Budget und sparen, wo sie nur können. Bewundernswert, denn da kann das Reisen auch schon mal mit kleineren und größeren Entbehrungen einhergehen.

11.02.

 

Ganz in der Nähe von San Gil liegt das kleine Dorf Barichara. Alles ist richtig nett zurecht gemacht und der Ausblick von hier oben ist gigantisch.

Ich frühstücke noch im kleinen Park gleich neben dem Friedhof

und fahre dann die vielen Kurven vorbei an verschleierten Bäumen und kleinen Knusperhäusern zurück nach Sin Gil, weil man mir abrät die Abkürzung zu nehmen: zu steil, nicht geteert, nur für Motorcross geeignet. Das muss ich garnicht erst ausprobieren.

Schaue mir die Chicamocha Schluchten genauer an und

finde auch noch die Juan Curi Wasserfälle.

Und weil die Massage gestern so unheimlich gut tat, habe ich heute wieder eine gebucht. Und während ich sie noch genieße, entscheide ich mich bereits für eine dritte, morgen abend. Morgen werde ich den ganzen Tag am Pool ausspannen und statt schreiben, vielleicht mal ein Buch lesen.

13.02.

 

Über „Berlin“ und Moniquira fahre ich erst durch Bergschluchten überzogen von Dschungel und Wasserfällen, dann Landschaften die an Süddeutschland erinneren und schließlich an sich in Sand auflösenden Felswänden, die unberechenbar wirken  und es auch sind.

Die Abkürzung in das alte Colonial Städtchen Villa del Leyva ist so schlammig, dass ich lieber der Hauptstraße nach Tunja folge. Diesen Weg kennt aber mein Navi nicht. Gut, dass hier in Kolumbien wieder Straßenschilder existieren, die mir den Weg weisen. Erst nach ca. 50 Kilometern und 800 Meter vor dem Ziel weiß man Navi dann auch wieder wo ich bin.

Ich beziehe Quartier am Hauptmarkplatz und besuche die nahegelegene „Dorfkneipe“. Wie mir der Wirt erzählt, haben seine Vorfahren in der Namensgebung eine wichtige Rolle gespielt. Er allerdings spricht weder deustch noch englisch, da bleibt nur noch spanisch übrig und es klappt gut. Einen Deutschen treffe ich in der Dorfkneipe tatsächlich und später im Hotel sind alle weitern Gäste deutsche. Deutsche findet man fast überall. Ein reisefreudiges Volk hat man mir gesagt und stelle ich fest.