Santiago de Chile (29.05.-07.06.)
29.05.
Von Valparaiso aus fahre ich am Pazifik entlang nach Isla Negra. Dort steht ein Haus des chilenischen Dichters und Schriftstellers Pablo Neruda (1904-1973), der sich vor allem gegen den Faschismus in Chile und Spanien einsetzte und 1971 den Nobelpreis für Literatur bekam.
Pablo Neruda, eigentlich Neftalí Ricardo Reyes Basoalto, studierte von 1921 bis 1926 Französisch und Pädagogik am Institut für Pädagogik an der Universidad de Chile in Santiago. Wurde 1927 in Südostasien und 1933 in Buenos Aires/Brasilien zum Honorarkonsul ernannt. 1934 bekam er den Posten als chilenischer Konsul in Barcelona und später in Madrid/Spanien.
Alle seine drei Häuser in Valparaiso, Isla Negra und Santiago de Chile sind heute zu besichtigen, wobei das Haus in Isla Negra am interessantesten sein soll. Und es liegt direkt auf meinem Weg am Pazifikstrand entlang. Dort angekommen zahle ich 3.500 chilenische Pesos (ca. 5 €) Eintritt, in denen ein Audiophone inbegriffen ist und mir seine im Haus gesammelten Werke sogar auf deusch erläutert.
Es ist ein ganz besonderes Erlebnis durch sein Haus zu gehen, dass er einem Schiff gleich bauen und gestalten lies und zu sehen, welche Ausblicke und Gegenstände aus der ganzen Welt diesen Dichter inspirierten. Ein wenig davon habe ich in meinen Fotos eingefangen: Sein im Bug gestaltetes Wohnzimmer mit vielen Holzfiguren aus der Schifffahrt, sein Esszimmer, in das man nur über sehr schmale Türen wie in einem Schiff gelangt und sein Schlafzimmer, an dessen Bett immer ein kleines Schaaf aus seiner Kindheit stand.
Der Glockenturm im Garten gegenüber der See wurde immer dann geläutet, wenn er wieder in Isla Negra eintraf, damit seine Nachbarn wussten, dass er wieder zu Hause ist und als Gruß an die Schiffe auf dem Pazifik. Mit dem kleinen Boot neben dem Glockenturm ist er nie auf See gewesen. Er nahm dort mit seinen Freunden einen Aperitif zu sich und meinte, dass ihm danach schwindeliger sein als auf See. Und nach einem guten Essen gingen sie zusammen in seine Schiffsbar mit wunderbarem Blick auf die See.
Enge Gänge führen auch zu seiner Schmetterlings-, Käfer- und Muschelsammlung, über die ich besonders erstaunt war. Ganz besondere Muscheln, deren Formen ich nicht für möglich gehalten hätte. Die Muschel im letzten Bild habe ich so auf einer Karibikinsel bei der Überfahrt von Panama nach Kolumbien gefunden, sie war aber zu groß zum Mitnehmen.
Und viele viele interessante große und kleine Gegenstände aus der ganzen Welt hat er gesammelt und in seinem Haus am Wasser aufgestellt. Meist Gegenstände, über die er sich amüsiert hat oder die für ihn eine besondere Bedeutung hatten wie die nacktbusige Maske, die ihn an eine frühere Jugendliebe erinnerte.
Ein wirklich besonderes Haus hinter dem mit Blick auf das Meer sein Grab liegt und dessen Besuch sich auf jeden Fall lohnt, sollte man zufällig in Chile und in dieser Gegend sein.
Meine Fahrt geht weiter nach Santiago an für europäische Verhältnisse seltsamen Straßenschildern vorbei und durch Nebel. Den schönen Pazifikstrand kann ich nicht mehr erkennen.
Im Hostel Bellavista in Santiago de Chile werde ich von einer schlecht gelaunten Hostelbetreiberin empfangen, die durch meine gute Laune nicht angesteckt werden kann. Aber das Hostel ist zurzeit fast leer, mitten im angesagten Bellavista Viertel mit vielen netten Restaurants und sehr ruhig gelegen. Nachdem ich direkt vor dem Zimmer in der Villa Kunterbunt in Valparaiso eine Woche lang eine Bushaltestelle mit sekündlich anfahrenden Busse vom frühen morgen bis in die Nacht hinein hatte, tut die Ruhe einfach wirklich gut. Einen Tag später ist auch die Laune der Betreiberin etwas besser.
Habe schon lange nicht mehr so eigenartige Menschen wie in Chile erlebt. In der Bäckerei in Valparaiso bekam ich sieben Tage lang auf mein sehr freundliches „Buenas Dias“ keinen Gruß zurück und auch in der Villa Kunterbunt ging es eher geschäftlich zu. Hilfe für den eventuellen Motorradverkauf konnte ich da keine erwarten, die Angst etwas Illegales zu tun oder womöglich mit der Mafia zusammen zu arbeiten war zu groß.
30.05.
Nach dem Frühstück erkunde ich zusammen mit zwei netten Mädels (eine Neuseeländerin, die andere Schweizerin) Santiago de Chile. Und es gefällt mir tausend Mal besser als Valparaiso. Hoffe, dass ich es von hier aus noch bis nach Puerto Varas schaffe und so doch noch bis ganz in den Süden komme.
Wir gehen zusammen Fisch essen und beobachten die Tischnachbarn beim Königskrabben verspeisen.
Und dann gibt es hier neben den üblichen Straßenhunden, von denen der ein oder andere vielleicht zu tief ins nebenstehende Glas geschaut hat, auch Diensthunde, die immer in dieselbe Richtung schauen wie der Dienstherr ;-)
31.05.-06.07.
Die Tage in Santiago sind spannend. Jeden Tag entdecke ich etwas Neues und die Angebote sind groß: kostenlose Stadtrundgänge, jede Menge Angebote eine Tour in die nähere Umgebung, den Norden oder den Süden von Chile zu buchen, das Haus des Nobelpreisträgers Pablo Neruda zu besichtigen, ein Museum oder interessante Seitenstraßen im Bellavista Viertel zu besuchen. Nicht zu vergleichen mit San Fransisco, New York in den USA oder Singapure, aber diese Vergleiche hinken, den ich bin weit entfernt von wirklich interessanten Städten und lange nicht mehr in einer
so zivilisierten Gegend gewesen und das tut auch gut.
Mit Julia aus Brazilien verabrede ich mich zum kostenlosen Stadtrundgang und treffe dort auf einen weiteren Brasilianer und zwei Deutsche. Der Stadtrundgang startet am Plaza de Armas auf dem gerade die Polizeinachtwache abgelöst wird und gegenüber Evangelisten predigen. Nebenbei erfahre ich, dass man in Chile lieber Tee und keinen Kaffee trinkt. Und es die alten Kaffestuben schwer hatten und sie deshalb auf „Kaffeestuben mit Beinen“ erweitert wurden: Spärlich bekleidete junge Damen sollen vom nicht so guten Kaffee ablenken und manchmal ruft der Eigner eine besondere Minute aus, in der die Türen verschlossen werden und die Hüllen ganz fallen. Unsere Stadtführer hat dies in 10 Jahren genau dreimal erlebt und es lohne sich nicht wirklich dafür kostbare Urlaubszeit zu investieren, also laufen wir weiter zum Präsidentenpalast und lauschen der Geschichte Chiles mit all ihren schwierigen Umbruchszeiten von sozialistischen zu diktatorischen Regierungen bis hin zur heutigen Demokratie. Gehen weiter vorbei an Gebäuden die durch das starke Erdbeben im Jahr 2010 beschädigt wurden, am Opernhaus, Berliner backenden Bäckereien, vielen gebraucht Bücher Verkaufsständen, da neue Bücher in Chile mit 18 % Steuern belegt und damit sehr teuer sind, einem von Deutschland geschenktem Monument, durch den herbstlichen Park und über Fluß zum Bellavista Viertel mit seinen vielfältigen Restaurants und enden am Pablo Neruda Haus in Santiago de Chile.
Nach der Tour geht es mit der Seilbahnzug rauf zur Virgin Statur mit eingeschränktem Blick über ganz Santiago de Chile.
Das Museo de la Memoria y los derechos Humanos besuchen Julia und ich am Sonntag morgen, während viele noch schlafen und ich steige dabei tiefer in die Geschichte Chiles und durch Julia auch in die Politik Braziliens ein.
Leider wird das Pre-Columbian Art Museum dieses Jahr renoviert und ist deshalb geschlossen, so dass wir nach dem Fischessen ein bisschen durch die sonntäglich geöffneten Geschäfte, über den Ferria (Markt) bis hin nach Santa Lucía zum Castillo Hidalgo bummeln, einem von Gefangenen angelegtem grünen Hügel in mitten der Stadt, von dem man bei schönem Wetter über ganz Santiago de Chile blicken kann.
Die vorerst letzten Tage in Santiago de Chile verbringe mit dem Besuch des zweiten Hauses von Pablo Neruda (Nobelpreisträger für Literatur), das viel funktioneller und nicht mehr so verspielt angelegt ist wie das in Isla Negra am Pazifikstrand.
Gehe durch die wandbemalten Straßen des Bellavista Viertels
und kunstvoll pfahlbestrickten Gassen in Richtung Stadt,
wo man die Fahrräder in schwindelerregenden Höhen auf den kleinen Balkonen der Hochhäuser parkt. Der Einkaufsbummel durch die Kaufhäuser unterscheidet sich deutlich von unseren Standards. Im Erdgeschoss die deutlich teurere Elektronik, Damen- oder Parfümabteilung. Im zweiten Stock die Herren- und Sportbekleidung, die im dritten Stockwerk durch die Kinderbekleidung oder Küchengeräteabteilung abgelöst wird. Ich spüre merklich wie wenig Lust mir die Suche nach einem warmen Pullover bereitet, der für meine Weiterreise durch Patagonien aber unerlässlich ist. Mittlerweile ist es abends, nachts und morgens bitter kalt und bei klarem Himmel über Tag brennt sich die Sonne in die Haut, während es im Schatten kalt ist. Nicht zu vergleichen mit unseren gemäßigten Breitengraden. Dafür putze ich zum ersten Mal seit vielen Monaten wieder meine Zähne mit dem Wasser aus dem Wasserhahn ohne Angst haben zu müssen. Nur trinken würde ich es hier immer noch nicht.